Das Magazin des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Niedersachsen e. V. hat unter dem folgenden Link einen Artikel über das Thema Inklusion veröffentlicht.
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Wird jetzt alles gut?
Dem Artikel zu Folge soll sich Niedersachsen und eigentlich auch ganz Deutschland bemühen inklusiv zu werden. Das heißt: Alle behinderten Menschen können überall mitmachen?
Die UN-Behindertenrechtskonvention besagt, dass anders zu sein normal ist, während vorher stets von Integration behinderter Menschen gesprochen wurde – allso die nicht behinderten sind das Normale. Grund genug sich kritisch mit der neuen Definition auseinanderzusetzen.
Was ist das Ziel
Das Ziel der Inklusion ist, Diskriminierung von behinderten Menschen zu vermeiden und eine gleichberechtigte Teilnahme zu erreichen. Das ist vernünftig und notwendig – denn wer hat nicht selbst hier und da Einschränkungen? Wer möchte, dass er wegen einer Einschränkung ausgeschlossen wird? Die gleichberechtigte Teilhabe ist deshalb sowohl menschlich als auch gesellschaftlich wichtig, weil sie die Zusammengehörigkeit stärkt, anstatt Unterschiede hervorzuheben.
Bringschuld der Gesellschaft oder wer ist verantwortlich
Wie der oben verlinkte Artikel und die anderen aus diesem Heft sugerieren, soll nach Meinung der Blindenverbände Inklusion eine Bringschuld der Gesellschaft sein – inkludiert uns! Das kommt bei der eigenen Zielgruppe gut an und ist auch recht einfach. Wenn etwas nicht funktioniert, hat die Inklusion seitens der Gesellschaft nicht geklappt.
Allerdings ist dies eine sehr oberflächliche sichtweise und meiner Meinung nach profitieren die Blindenverbände hier von der Unwissenheit der Außenstehenden. Wie erklären wir beispielsweise, dass trotz guten Materials und Personalausstattung heutzutage die früher integrierten blinden und sehbehinderten Schüler oft bessere Leistungen als heute erbracht haben? Ich weiß wo von ich spreche. Ich habe fast meine gesamte Schul- und Ausbildungszeit in der Integration verbracht. Von PC-Hilfen und Integrationslehrern etc. war oft nicht die Rede. Das ist keine Kritik, aber es gab sie schlicht noch nicht. Das Einscannen von Texten per OCR war damals technisch noch nicht ausgereift. Wir haben Diktate blind in eine ausgemusterte Büromaschine getippt und sind wie alle anderen benotet worden. Viele von denen, die diesen Weg gewählt haben oder ihn aus anderen Gründen wählen mussten, waren am Ende im Beruf erfolgreich. Integration oder wie es jetzt heißt Inklusion ist kein allheilmittel. Es gibt viele vor allem schwächere Schüler, die hieran zerbrechen und die besser gesondert geschult werden sollten. Ich will darauf hinaus, dass die erhebliche Materialverbesserung einerseits und die Normalität der Integration/Inklusion andererseits nicht spürbar zu besseren Ergebnissen geführt haben.
Es ist gut, wenn sich blinde und sehbehinderte Schüler durchsetzen und mit gleichem Maß beurteilt werden wollen, wie ihre Mitschüler. Deshalb habe ich mich auch über den Erfolg des Abiturienten gefreut, der um die gleichen Prüfungsaufgaben gekämpft hat. Diese Gleichheit in der Beurteilung sollte auch für eine spezielle Blindenschule gelten. Egal, in welcher Form ein Schüler seine Ausbildung erhält er muss am Ende die gleiche Leistung erbringen wie alle anderen Schüler in seinem Alter bzw. seiner Schulstufe. Das gehört auch zur Inklusion – nämlich das sich die blinden und sehbehinderten Menschen den gleichen Werten und Regeln unterwerfen, die im Rest der Gesellschaft gelten – wir wollen ja dabei sein! Der Wille zur Inklusion und die Bereitschaft alle Fähigkeiten dazu einzusetzen ist die Bringschuld der behinderten Menschen gegenüber der Gesellschaft. Ist diese Erfüllt, kann mit gutem Recht die Inklusion von der Gesellschaft abgefordert werden.
Wenn wir, die behinderten Menschen, die Inklusion wirklich wollen und unseren Teil zur Inklusion beitragen, wir damit das Bild in der Gesellschaft geändert. Bislang wurde ein erheblicher Teil der Mittel durch Spenden eingeworben. Dabei steht das Bild des hilfsbedürftigen blinden oder sehbehinderten Menschen im Fordergrund. Tatsächlich fällt es außenstehenden oft schwer, sich einen “glücklichen blinden Menschen” vorzustellen. Komme ich mit anderen Menschen ins Gespräch, so möchten sie mir oft ihr Mitleid bekunden. Wenn ich versuche zu erklären, dass man durchaus gut damit leben kann, dann können und wollen sie das nicht verstehen. Dabei kommt ihnen oft der Vergleich mit ihrer im Alter erblindeten Großmutter in den Sinn. Gewiß, wer mit 70 Jahren erblindet wird froh sein, gefahrlos Kaffee kochen zu können und sich das Essen zu richten. Ich will darauf hinaus, dass mit der Forderung der Inklusion die Behindertenverbände gegenüber der Gesellschaft ein anderes um nicht zu sagen weniger hilfsbedürftiges Bild vermittelt werden muss. “Bitte spenden Sie, damit unsere Mitglieder einen Geldautomaten mit Sprachausgabe erhalten.”
In gewissem Sinne ja. Er legt lediglich den Normalpunkt für die Betrachtung einer Gesellschaft an eine andere Stelle “Alle sind normal.” Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist damit gemeint. Die Aufregung, die Hoffnungen und Enttäuschungen um die Inklusion resultieren meiner Meinung nach aus einem falschen Verständnis des Begriffs. Wir, die behinderten Menschen, müssen uns selbst inkludieren. Jeder kann und vor allem sollte etwas dafür tun. Wenn ich in mein Fitnesstudio gehe und in Ruhe mein Training abspule, sende ich eine stärkere Nachricht an alle anderen um mich herum, als ich sie durch Aufklärung, Prospekte und Veranstaltungen erreichen könnte. Es ist für jeden erkennbar, dass ein eigenständiges Training ohne nennenswerte Probleme als blinder Sportler möglich ist. Wie ist dabei zunächst unerheblich. Das gleiche gilt für den Arbeitsplatz: Wenn die Behinderung keine Rolle mehr spielt, werde ich als Kollege, Mitarbeiter empfunden und es ist nicht mehr notwendig zu erklären was möglich ist. Mit solchen Maßnahmen können wir viel mehr erreichen, als eine UN-Konvention oder ein Gesetz vermag.